Markus Böhm ist Kioskforscher. Er erforscht nicht die Kioske selber. Nein, aber deren Inhalt. Egal ob Magazin, Zeitschriften oder Blättchen; was dem Journalisten und Blogger unter die Augen kommt, wird untersucht, geprüft und mit einem Fazit belegt. Da kann es schon mal passieren, dass ein bayrisches Heimatmagazin besser wegkommt als ein Wissensmagazin.
Du hast auf deinem Blog Kioskforscher so skurrile Kategorien wie „Weltverschwörungszeitschriften“. Kann Dich überhaupt noch was überraschen in Sachen Magazin?
Nicht mehr so. Ich stehe nicht mehr vorm Zeitschriftenregal, blättere und staune. Vieles ist stereotyp – ich ahne, was drin steht.
Trotzdem ein Beispiel für was Besonderes?
Die Zeitschrift „Action & Wissen“. Ich dachte: So was Schlechtes kommt also 2013 noch auf dem Markt.
Was war das Schlechte daran?
Alle Themen waren immer gleich auf Doppelseiten aufbereitet, viele Fotos stammten offensichtlich aus der Google- Bildersuche, die Texte teilweise aus Wikipedia.
Was denkt sich ein „Kioskforscher“ nach solcher Lektüre?
Die Macher müssen sich doch schämen dafür. Müssen doch damit rechnen, dass die Leser das merken.
Du hast auf deinem Blog „Kioskforscher“ über 50 Zeitschriften analysiert. Bist ein Zeitschriftenexperte: Meinst du der „Normalleser“ spürt das auch?
Ich google schon aus Reflex oft die Bilder, das stimmt. Aber ich glaube bei den Lesern läuft das unterschwellig: Sie würden so ein Magazin einfach nicht lange lesen.
Was macht denn ein gutes Magazin aus?
Es gibt nicht nur das eine Kriterium. Aber ich finde, es sollte zum Beispiel Stil haben, was ausstrahlen: Wenn es auf dem Wohnzimmertisch liegt und man geht vorbei, muss man denken: Oh, was liegt denn hier? Dann muss es überraschen. Also abwechslungsreich sein, einen guten Rhythmus in der Verschiedenheit der Beiträge haben. Und transparent sollte es sein: ich finde gut, wenn man als Leser weiß, wer den Beitrag geschrieben hat. Heute werden ja manchmal nicht mal mehr Autoren genannt.
Welche drei Magazine würden von dir auf jeden Fall das Prädikat „Empfehlenswert“ erhalten? Als Beispiele…
„11Freunde“ würde ich jedem empfehlen, der sich für Fußball interessiert. Dann die „Dummy“, ein Magazin immer zu einem Thema pro Ausgabe. Und „Brand eins“. Ich interessiere mich nicht für Wirtschaft, aber in der „Brand eins“ schon, weil da Wirtschaft am Beispiel von Menschen erzählt wird.
Noch ein Geheimtipp?
„MUH“, ein bayrisches Heimatmagazin. Man denkt erst: Ist ja komisch. Aber ist thematisch sehr breit gestreut. Das les ich gern.
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Markus Böhm ist Freier Journalist, Blogger und Kioskforscher. Er arbeitet unter anderem für Spiegel Online und die ARD. Nebenbei analysiert er Magazine und Zeitschriften und veröffentlicht die Beiträge darüber auf seinem Blog. Über 50 Artikel hat er schon verfasst. 2013 war er für den Grimme Award nominiert. Gewonnen hat er im vergangenen Jahr den bronzenen Lead Award. Markus Böhm wohnt in München. Zur Homepage
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Suchst du direkt nach auffälligen oder neuen Zeitschriften, über die du auf deinem Blog schreibst, oder begegnen sie dir zufällig?
Wenn ich bei mir im Rewe einkaufe, gehe ich immer zum Zeitschriftenregal und schaue mir die Cover an – ob mir was auffällt. Für manche Blogeinträge fehlt mir die Idee, da ist es harte Arbeit und ich muss mir was ausdenken. Denn es gibt mal einen Tag, da will ich über ein Automagazin schreiben, aber 99 Prozent der restlichen Zeit hab ich keine Lust dazu, weil ich mich gar nicht für Autos interessiere. Grundsätzlich will ich mich nicht quälen, irgendetwas unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt lesen zu müssen.
Du hast schon mit elf an einem FC Bayern-Magazin gebastelt, eine Klassenzeitschrift gemacht, hattest einige Magazine abonniert. Zeitschriften, Zeitschriften, Zeitschriften: War ein Blog über Zeitschriften da die logische Konsequenz?
Nein. Ich hatte eher Langeweile, stand vor der Ausbildung an einer Journalistenschule und hatte Zeit. Da dachte ich: Mach einen Blog. Kostet nichts, du kannst es probieren und nach zwei Monaten wieder aufhören, wenn du willst.
Also erst die Entscheidung „Blog“ und dann ein Thema gesucht?
Genau. Ich hatte tausende Magazine unterm Bett liegen – das Thema lag nahe. Aber ich hatte es selbst lange nicht als Blogthema wahrgenommen.
Achtest Du beim Schreiben oder deiner Zeitschriftenauswahl darauf, wie deine Leser wahrscheinlich auf den Beitrag reagieren werden?
Am Anfang hab ich weniger darauf geachtet. Jetzt denke ich öfter mal: Was würden meine Freunde lesen? Auch weiß ich mittlerweile: Interviews kommen besser an. Man lernt, was funktioniert.
Was funktioniert nicht?
Ich hatte kürzlich eine Zeitschrift zum Bogenschießen. Ich wusste, dass das kaum jemand lesen wird, das ist zu speziell. Eine Sexzeitschrift dagegen: So was kommt immer gut an. Ich seh das an den Klickzahlen.
Schaust du dir die Klickzahlen an?
Ja, ich arbeite mit WordPress, da sieht man sogar woher ein Besucher kommt, also ob er direkt nach meiner Seite Kioskforscher gesucht hat oder über eine Verlinkung kam. Normal habe ich 100 bis 200 Besucher am Tag. Werde ich zum Beispiel auf dem BILDblog erwähnt, sind es auch schon mal 2000. Ist eher zufällig.
Heißt das: Ob ein Beitrag von vielen gelesen wird, liegt gar nicht an der Qualität des Beitrags. Sondern, ob er zufällig irgendwo gut verlinkt wird?
Verlinkungen sind wichtig, ich verlinke selber auch andere Beiträge. Aber ein Beitrag muss erst mal gut sein, damit er überhaupt verlinkt wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Bild oben: Johannes Stoll/Quelle PHOTOCASE | Bild Mitte: privat