Hört uns an!

Anna Mauersberger (31) leitet das Projekt RAPutation: Das ist Rap, junge Menschen und eine große Portion „die da oben sind scheisse“. Frau Mauersberger hat uns erklärt, was genau RAPutation ist und warum es ohne die neuen Medien überhaupt nicht funktionieren würde.

 

Bei RAPutation können sich Teilnehmer online mit einem Rapsong als Youtube-Clip bewerben. Eine Jury entscheidet, wer gewinnt. Klingt nach Casting? Ist es aber nicht, oder?

Wir wollen mehr als eine Castingshow sein. Klar, RAPutation ist vor allem eine Plattform, um Talent zu präsentieren und unter Beweis zu stellen – aber mit politischer Message und viel inhaltlicher Diskussion.

Gibt es so viele Jugendliche, die eine politische Message mit sich herumtragen?

Auf jeden Fall. Gerade junge Menschen, die es im Leben nicht so leicht haben, tragen sehr viel Gesellschaftliches mit sich herum. Die meisten wissen allerdings nicht, wohin damit. RAPutation.tv spricht genau diese jungen Menschen an: Bei uns können sie ihren Frust oder ihre Wünsche thematisieren und eventuell dazu sogar mit der „echten Politik“ in Berührung kommen. Das heißt nicht, dass sich deswegen auf großer Ebene gleich was ändert. Aber im Kleinen findet zumindest ein Dialog statt – und das ist doch schon mal ein guter Anfang…

Was haben die jungen Menschen, die an RAPuation teilnehmen, für eine Meinung von Politik?

Die meisten haben sich gegen Politik versperrt, zumindest gegen „die da oben“.

Wenn aus so einer Haltung heraus Rapsongs mit politischer Message entstehen, welche sind dann die konkreten Themen der Songs?

Die Themen sind total unterschiedlich; das EINE Thema gibt es nicht. Der eine schreibt über den Nahostkonflikt, der andere über Gentrifizierung, der dritte über den Weltfrieden. Auffällig in der ersten Staffel war allerdings, dass ein Großteil dabei empfindet: Politiker da oben sind scheisse; sie lügen, sie manipulieren, sie interessieren sich nicht. Und: Ich hab hier eh nichts zu sagen.

Klingt krass.

Ja. Ziemlich erschreckend, sich in einer Demokratie so wertlos zu fühlen. Sowieso nichts machen zu können, das Gefühl zu haben, verarscht zu werden. Das sollte gerade auch die Politik sehr ernst nehmen.

Können Sie das Empfinden der Jugendlichen nachvollziehen?

Auf jeden Fall. Viele junge Menschen in Deutschland haben es wirklich nicht leicht –und finden niemanden, der sie in dem Gefühl wirklich ernst nimmt. Medien machen lieber Negativschlagzeilen über Politik als Positives zu berichten. Und natürlich bauen manche Politiker auch echt Scheiße. Dann wieder denke ich, dass in Deutschland auch vieles sehr gut läuft, vor allem im Vergleich zu anderen Ländern: Bildung, Sozialsystem, Frieden, Demokratie – hey, das ist mehr als die meisten Menschen auf der Welt geboten bekommen, und unsere Politiker sind zum größten Teil auch echt anständige Leute mit guten Intentionen. Das wird nur nicht gut genug vermittelt.

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Anna Mauersberger ist 31 und leitet das Projekt RAPutation. Sie ist sowohl bei der Auswahl der Beiträge dabei als auch bei den Vorbereitungen für den Endausscheid und hat den Draht zu den Politikern. RAPutation ist ein Projekt der gemeinnützigen Initiative DU HAST DIE MACHT und wird finanziert von der Robert Bosch Stiftung. Bei RAPutation darf sich jeder bewerben, der zwischen 14 und 24 Jahre alt ist. Voraussetzungen gibt es sonst keine, außer natürlich die Liebe zum Rap, eine eigene Meinung und ein bisschen Talent.

 

 

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Kommen denn die Politiker auch mit den Botschaften der Songs oder mit den Bewerbern selber in Berührung?

Klar, das ist eine der Hauptaufgaben von RAPutation.tv: Wir gehen mit den Tracks zu Politikern und nehmen die Rapper am liebsten gleich mit. Und wir merken immer wieder: Viele Politiker freuen sich ernsthaft darüber, mit einer Zielgruppe in Kontakt zu kommen, die sie normalerweise nicht erreichen.

Funktioniert das?

Wir hatten 250 Bewerber… Zumindest mit den Jugendlichen, die wir ins Gespräch gebracht haben, hat das super funktioniert.

Welchen Politiker habt ihr denn zum Beispiel getroffen?

RAPutation-Kandidat Matondo war zusammen mit Renate Künast unterwegs, damals Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie sind zusammen in einem Auto durch ihren Wahlkreis, Berlin Tempelhof, gefahren und Matondo hat ihr „sein Tempelhof“ gezeigt. Renate Künast saß im Auto auf der Rückbank – mit offenem Mund. Man sieht, dass sie gerade etwas Neues erfährt, dass sie also echt was lernt.

Warum gerade das Genre „Rap“?

Rap war schon immer ein politisches Genre. Ein Genre der Nichtgehörten, der Unterdrückten. Rappen heißt meistens, auf Ungerechtigkeiten der Gesellschaft hinweisen. Im Rapsong bestimmt das Wort den kompletten Track, ein Thema kann man ziemlich erschöpfend behandeln.

Ihr schreibt auf eurer Homepage von Rap als Genre des „Widerstands“. Das Wort rutscht schnell in den Bereich der Kritik am politischen System selbst und seinen Grundwerten.

Über den Begriff haben wir lange diskutiert. Widerstand ist hier nicht antidemokratisch gemeint. Für unsere Kandidaten bedeutet es: Wir lehnen uns dagegen auf, dass wir nicht gehört werden, vergessen werden, dass wir nichts tun können. Gemeinsam können wir unsere Message in die Welt rausschreien. Und das ist nicht: Wir finden euch alle scheisse und wollen ein komplett neues politisches System. Sondern: Es gibt uns auch. Hört uns an!

Was wäre RAPutation ohne die neuen Medien?

Nichts. Dass junge Leute mit ihren Handys, Smartphones und Kameras rausgehen und ihre eigenen Tracks aufnehmen, und dass wir diese dann genau so ins Netz stellen – das wäre ohne neue Medien nicht denkbar. Im Prinzip haben wir ja nur eine Online-Struktur zur Verfügung gestellt, die die Teilnehmer befüllen. Damit machen sie RAPutation zu ihrem eigenen Kunstprojekt – und wir sitzen staunend daneben.

Bleibt es dabei?

Natürlich nicht. Wir sorgen im Netz dafür, dass Messages auch untereinander diskutiert werden. Kommentare zum Beispiel sind ein wichtiges Element: Da entstehen richtige Diskussionen und Gespräche, nicht nur „Ey, geile Karre“ oder „Wo hast du das Cap gekauft?“, sondern ernsthaft. Es geht ja genau darum, junge Leute nicht zu „belehren“, sondern sie in ihrer Meinung ernst zu nehmen. Auch das wäre in der Form ohne neue Medien übrigens nicht denkbar.

 

Bild oben: flo-flash/Quelle PHOTOCASE | Bild Mitte: privat