Jedem sein Häppchen

Uni über Internet? Ein Interview mit Oliver Vornberger über Vorlesungsvideos und E-Learning.

 

Herr Prof. Dr. Vornberger, Sie wurden mit dem Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre ausgezeichnet. Was machen Sie anders als Ihre Kollegen?

Was mache ich anders? Also es gibt Dozenten, die kein Interesse daran haben, verstanden zu werden und es gibt Dozenten, die Befriedigung daraus ziehen, dass sie einer Gruppe von Studenten etwas verständlich machen können. Ich sehe den Studenten als Kunden. Und der Kunde ist König. Wenn man diese Einstellung nicht hat, dann sind auch alle Hochschul-didaktischen Weiterbildungen für die Katz.

Gute Lehre beginnt also bei der Einstellung des Dozenten.

Ja, da zu allererst.

Sie haben auch das Internet für ihre Lehre entdeckt.

Die Studenten benutzen bereits Medien in einer Weise, die in den Hochschulen so noch nicht angekommen ist. Sie sind auf Facebook, schauen sich YouTube-Clips an und surfen auf Spiegel Online. Also macht es ja Sinn, wenn wir sie da abholen, wo sie im privaten Alltag schon sind.

Sie haben selbst neue multimediale Lehrformen entwickelt.

Ja, unter anderem das Autorensystem „media2mult“, mit dem man als Dozent sehr einfach multimedial angereichertes Begleitmaterial für Veranstaltungen herstellen kann, mit dem aber auch Studenten sehr gut Seminarinhalte oder Facharbeiten zusammenstellen können.

Sie zeigen auch Vorlesungsvideos mit großem Erfolg im Netz. Ihre Vorlesung „Algorithmen“  war bei iTunes wochenlang auf Platz eins der Charts.

Ja, tatsächlich. Wenn man als Hochschullehrer im Hörsaal steht, dann spricht man da vielleicht 200 mehr oder weniger interessierte Studenten an. Und in manchen Gesichtern liest man nur einen Wunsch: „Hoffentlich ist das jetzt bald vorbei.“  Nun habe ich begonnen, Vorlesungen einer breiten Öffentlichkeit anzubieten und bekam Mails von Ingenieuren, von Rentnern, von Hausfrauen, von Studenten, die schreiben: „Ich freue mich schon auf die nächste Folge.“ Was gibt es Schöneres im Leben eines Hochschullehrers, als solche Mails zu bekommen.

Dann hilft dieses Format also auch Ihnen, nicht nur den Studenten?

Allein dadurch, dass die Vorlesung aufgezeichnet wird, wird sie hochwertiger. Der Dozent kann nicht einfach im Satz aufhören und sagen, da machen wir nächste Woche weiter. So ist die Veranstaltung meist besser strukturiert, der Aufbau didaktisch besser durchdacht.

Sie verstehen E-Learning dennoch als Ergänzung zur echten Lernerfahrung, bei der sich Dozent und Student in die Augen schauen?

Ja. Wir sprechen von Blended Learning, also einer Kombination von Präsenzlernen und E-Learning. Ich habe nach wie vor den Anspruch, in einen Hörsaal zu gehen und meine Studenten zu sehen.

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Oliver Vornberger ist Professor für Praktische Informatik an der Universität Osnabrück. Im Bereich E-Learning hat er von sich Reden gemacht. Gemeinsam mit Kollegen gründete er „virtUOS“, das Zentrum zur Unterstützung der virtuellen Lehre an der Universität Osnabrück, und er entwickelte das Autorensystem „media2mult“ und das Vorlesungsaufzeichnungssystem „virtPresenter“. Selbst hat Oliver Vornberger Diplominformatik studiert. 1980 promovierte er, sechs Jahre später folgte die Habitilation, er forschte und lehrte am Computer Science Department der University of California at Berkeley. Für seinen innovativen Einsatz von neuen Medien bekam er den Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre und den Wissenschaftspreis des Landes Niedersachsen.

 

 

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Sind Studenten mit den neuen Formen mitunter überfordert?

Es liegt ein gewisses Risiko in diesem Angebot. Salopp gesagt: Die guten Studenten werden besser, die schlechten schlechter. Mit dem Gedanken „Das schau ich mir einfach alles wenn ich mal Zeit habe, an einem verregneten Nachmittag auf Video an“, wird das nicht funktionieren.

Sie haben Ihre Diplomarbeit, damals in Dortmund noch mit der Schreibmaschine geschrieben…

Einer mechanischen, ohne Kugelkopf, wenn ich irgendwelche griechischen Sonderzeichen verwenden wollte, musste ich die nachträglich mit Bleistift einfügen. Es wird einem schwindelig, wenn man bedenkt, wie schnell sich die technischen Bedingungen verändern.

Und es geht weiter. Wie wird Blended-Learning die Hochschulbildung in den nächsten Jahren verändern?

Wir gehen weg von der gleichzeitig und gleichförmig angebotenen Massenveranstaltung, hin zu individuellen Lerneinheiten. Jeder sucht sich bald seine Häppchen zusammen. Ich muss nicht nur meinem eigenen Professor zuhören. Ich habe jetzt die Wahl zwischen 27 Nobelpreisträgern und 50 Professoren aus Stanford und noch 30 vom Massachusetts Institute of Technology. Das richtige für sich zusammenzustellen ist die große Herausforderung. Aber an diesem Trend geht nichts vorbei. Vor 50 Jahren da haben fünf Prozent eines Jahrgangs studiert, alle aus reichem Elternhaus, alle Vollzeit; eine kleine Elite. Heute studieren fast 50 Prozent eines Jahrgangs, manche studieren in Teilzeit, da sind alleinerziehende Mütter dabei, Quereinsteiger, sehr verschiedene Alter. Dieses Ausfasern beobachten wir schon heute. Neue Lernformen helfen, dem gerecht zu werden.

Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich, was den Einsatz von Blended-Learning an Hochschulen angeht?

Ich war jetzt gerade zwei Monate in Kanada,  an der University of British Columbia in Vancouver, die sind beispielsweise bei Vorlesungsaufzeichnungen deutlich hinter dem, was wir in Osnabrück entwickelt haben und praktizieren. Da müssen wir uns nicht verstecken.

 

Bilder: privat